Sonntag, 22. April 2012

Nach dem Absturz in den Anden: "72 Tage in der Hölle"

Bildquelle: Diario La Nacion, argentino de la época (28.12.1972)
In seiner Autobiografie „72 Tage in der Hölle – Wie ich den Absturz in den Anden überlebte“ (Originaltitel: Miracle in the Andes) beschreibt Nando Parrado, einer der Überlebenden, auf sehr eindrückliche Weise die Geschehnisse rund um den Absturz von Flug 571 am 13.10.1972. Die Maschine (eine Fairchild-Hiller FH-227) war auf dem Weg von Montevideo nach Santiago de Chile, als sie an einem Berghang hoch oben in den Anden zerschellte. Erstaunlicherweise starb nur ein Bruchteil der Insassen bei bzw. unmittelbar nach dem Absturz, jedoch wurde aufgrund der schlechten Wetterverhältnisse und der vorherrschenden Meinung, dass es keine Hoffnung auf Überlebende gebe, die Suche nach der abgestürzten Maschine nach einer Woche eingestellt und die Passagiere für tot erklärt. Aber am Wrack waren durchaus noch Überlebende zu finden, einige kaum verletzt, einige schwer verletzt und einige von ihnen erlebten nun zum ersten Mal in ihrem Leben echten Schnee. Natürlich war niemand darauf vorbereitet, plötzlich in einem Schneesturm zu sitzen und als die Überlebenden im Radio hörten, dass man sie aufgegeben hatte, war für sie klar, dass sie sich wenn dann selber retten müssten… die Vorräte an Bord waren natürlich nur unzureichend und schnell verbraucht, so dass sich bereits nach einigen Tagen herauskristallisierte: wollten sie nicht verhungern, dann müssten sie die Leichen der Opfer essen.

Letztlich gelang Nando Parrado zusammen mit seinem Freund Roberto Canessa  der gefährliche Abstieg die Anden hinab: in unzureichender Kleidung, mit mangelnden Vorräten, ohne Ausrüstung… Nachdem sie Hilfe geholten hatten, konnten auch die restlichen Überlebenden geborgen werden.

Von insgesamt 45 Menschen an Bord (40 Passagiere, fünf Besatzungsmitglieder) überlebten schlussendlich 16 Personen (ausschliesslich Passagiere), wobei acht Personen nicht an den direkten Folgen des Absturzes starben, sondern vielmehr, weil die Überlebenden einige Tage nach dem Absturz nachts von einem Lawinenschlag überrascht wurden.

„72 Tage in der Hölle“ erzählt somit eine äusserst beeindruckende Geschichte, die vor Überlebenswillen und Kameradschaft nur so strotzt, aber auch der Moral einen hohen Stellenwert einräumt: diverse Überlebende weigerten sich aus ethischen, moralischen und christlichen Gründen, das Fleisch der Toten zu essen. Während der damals geschehene „Kannibalismus“ später häufig medial sensationslüstern und reisserisch ausgeschlachtet wurde, betont Parrado sehr deutlich, dass das Essen der Leichen die einzige Überlebenschance für sie war und es niemandem leicht gefallen sei, von den toten Kameraden zu essen. Diese Stellen in der Erzählung sind auch sehr sensibel verfasst und klingen vielmehr dankbar als spektakulär. Zum grossen Spektakel verkommt Parrados autobiografischer Bericht ohnehin nicht: er erzählt ein unglaubliches Abenteuer, von dem man kaum glauben kann, dass dies eine reale Geschichte ist.

Im Buch „72 Tage in die Hölle“ steht der Flugzeugabsturz klar im Zentrum, aber letztendlich wird auch erwähnt, wie es den Überlebenden nach dem Absturz ergangen ist und wie unterschiedlich teils mit dem Erlebten umgegangen worden ist: während Einige dem Leben hernach mit grösster Demut begegneten, kosteten Andere jede Minute aus und verloren sämtliche Ängste. Wenn man so etwas überlebt, kann man dann überhaupt sterben?

„72 Tage in der Hölle“ ist ein Erlebnisbericht, eine Autobiografie, hier geht es nicht um Aviatik oder um die technischen Besonderheiten des Flugzeuges geschweige denn die spezifischen Umstände des Absturzes: es dreht sich um die abgestürzten Passagiere. Es ist nicht technisch, es ist menschlich und zudem ist dieses Buch eine Hommage an das Leben. Insgesamt zeigt „72 Tage in der Hölle“ einmal mehr, zu was der Mensch in der Lage ist,   wenn sein Wille nur stark genug ist.

Allgemeines zum Buch:

„72 Tage in der Hölle“ von Nando Parrado
320seitiges Taschenbuch
Goldmann-Verlag
ISBN-10: 3442154987
ISBN-13: 978-3442154982
Amazon: 9,95€
Bol Schweiz: CHF 15,60
Weltbild Schweiz: CHF 14,90
Exlibris Schweiz: CHF 11,90

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